Aarau, 20. Februar 2017

Neunzehn Personen hatten sich zum Treffen im Aarauer «Fabrikpalast» angemeldet. Unfall, Krankheit und Systemnotfall hatten die Reihen leicht gelichtet, vierzehn Menschen zwischen vierzig und siebzig sassen schliesslich um den langen Tisch: Die Werberin Barbara aus Aarau, die lange im Tourismus tätig war, der IT-Fachmann Martin und die Biologin Susanne aus Baden, die zusammen die Geschäfte von fair-fish Schweiz leiten, Rolf aus Langnau, der sich für eine nachhaltige Fischerei und gegen die Lichtverschmutzung einsetzt, Bruno aus Gontenschwil, Experte in Urheberrechtsfragen und Solarentwickler in Indien, Daniel aus Zug, der ein Dokumentationszentrum für Demokratie leitet, Walter aus Bern, Verkehrsplaner und pensionierter Bundesbeamter, Eleonore aus Uster, die Biologin, die selbstversorgend lebte und sich in Krisenintervention und Musik weiterbildete, ihr Mann Livio, der Architekt, Markus aus Neuthal, Elektroingenieur, Bahnfachmann und Wirt, Heinz aus Zürich, Psychologieprofessor und Klimaschutzfachmann, ich selber sowie die beiden Personen, die etwas ausführlicher von sich und ihren Projekten berichteten:

Gastgeber Hansueli, der sich seinen Traum eines eigenen Figurentheaters in
Fabrikpalast Aarau einfüllt hat, erzählte von seiner Jugend in einem kulturell interessierten Elternhaus in St. Gallen, in dem Koryphäen der Friedensbewegung oft zu Gast bei seinem friedensbewegten aktiven Vater waren und wo er froh selber Puppen baute, die seine Mutter ihn einzukleiden lernte. Er zog erst in der Lebensmitte in den Aargau, wo er sich rasch zurechtfand, da die Kantone St. Gellen und Aarau sich in mancherlei Hinsicht ähnlich sind. Hier fand er viel kulturelle Offenheit und eine erstaunlich vielfältige free Theaterszene. Nebst dem Fabrikpalast, den er mit eigenen Stücken und mit Gastspielen aus aller Welt betreibt, war er jahrelang nebenamtlich als Kultursekretär der Stadt Wettingen tätig war, während er heute seine Freude am Beleuchten in Aufträgen auslebt, auch in spektakulär grossen in den Bergen.

Das anschliessende Gespräch über Politik und Kultur im Aargau aus der Sicht eines vor vielen Jahren Eingewanderten führte nahtlos über zur Erzählung von
Eva, die ebenfalls als Auswärtige seit langem im «Rüebli-, Kultur- und Atomkanton» hängen geblieben ist. Bis vor kurzem war sie mit Herzblut als Berufs- und Laufbahnberaterin tätig gewesen; heute blickt sie mit Sorge zurück und ist zugleich froh, nicht mehr direkt konfrontiert zu sein mit dem Abbau des Angebots und der eigenen Weiterbildung an ihrem langjährigen Arbeitsort wegen der Sparpolitik von rechts. Mit Schalk in den Augen erinnert sie sich dafür an den Tag im Jahr 2009, an dem sie als grüne Grossrätin mit acht Jahren Erfahrung wieder ins Aargauer Kantonsparlament einzog, jetzt aber mit einer fast verdoppelten Fraktion, während alle grossen Partei hatten Federn lassen müssen. Für Bildung, Gesundheit und Soziales und gegen Sparpolitik hatte sie sich dort eingesetzt. Im vergangenen Jahr, nach drei Amtsperioden, kandidierte sie kein viertes Mal mehr.

Das Gespräch unter Menschen, die einander zum grösseren Teil bis dahin nicht gekannt hatten
– und die ich selber teils seit Jahren nicht mehr gesehen hatte –, erhielt von Hansueli und Eva Nahrung für weit länger als nur den einen Abend. Was ist an Kultur möglich, aus Eigeninitiative und mit mehr oder weniger Förderung? Wie wichtig ist heute noch die Wahl eines Berufs, wo niemand bis ans Lebensende im einmal erlernten bleiben wird? Was geht noch an Grossprojekten? Was ist der Wert des Alten im Neuen? Et cetera.

Danke für die Gastfreundschaft, Hansueli, und allen fürs Kommen!